Was genau ist dein Beruf ?
Ich bin Chefin Geschäftsführung und -steuerung Verteidigung, so heisst das Ganze offiziell. (lacht) Das ist eine zivile Stelle bei der Armee. Ich koordiniere und überwache verschiedene Projekte, die die Armee betreffen. Eine Voraussetzung für den Job war meine KV-Ausbildung – und die andere natürlich, dass ich einen militärischen Background habe. Vor meiner jetzigen Stelle war ich drei Jahre stellvertretende Kreiskommandantin beim Kreiskommando Graubünden, Amt für Militär und Zivilschutz des Kantons Graubünden. Ich war zuständig für die Rekrutierung, Orientierung und Frauenförderung in Graubünden.
Was hat dich dazu bewogen, zum Militär zu gehen?
Das war ein Kindheitstraum von mir. Ich fand das einfach spannend: Die Kameradschaft, die waren immer im Freien, konnten herumrennen, sich dreckig machen, hatten Schoki und Biscuits – was will man mehr als kleiner Goof? (lacht) Als mein zwei Jahre älterer Bruder zum Militär gegangen ist und an den Wochenenden immer von seinen Erlebnissen erzählt hat, habe ich gemerkt: Ich will das auch machen.
Wie hat deine Familie auf deine Berufswahl reagiert?
Ich weiss noch, wie ich zu meinen Eltern beim Sonntagsfrühstück gesagt habe: «Mama, Papa, ich hab’ euch uh lieb. Und ich möchte zum Militär gehen». Ich hatte mich fast nicht getraut, es ihnen zu sagen! Aber ihre Antwort war: «Wenn du dir das gut überlegt hast, dann mach es und ziehe es durch» – und sie haben weitergegessen, als ob nichts gewesen wäre.
Im Nachhinein haben sie mir Bilder von mir gezeigt, auf denen ich fünf Jahre alt bin und einen Taz – also Tarnanzug – trage. Sie haben mich immer in allem unterstützt und standen hinter mir. Und sie sind auch sehr stolz auf mich. Anfangs hatte ich grossen Respekt und auch ein bisschen Selbstzweifel: Bin ich sportlich genug? Kann ich mich in einer Männerdomäne wirklich zurechtfinden? Hier hat mich mein Bruder immer unterstützt, er hat mir Mut gemacht und war diesbezüglich mein grosses Vorbild.
Und dein Umfeld?
Viele Kollegen haben es anfangs belächelt. Mein Mathelehrer in der Berufsschule, dem ich gesagt habe, ich brauche einen freien Tag für die Rekrutierung, meinte, ich solle mir eine andere Ausrede einfallen lassen, um einen Tag frei zu bekommen. (lacht)
Es ist einfach nicht so präsent, in Graubünden gibt es wenige Frauen im Militär. Aber wenn ich in Uniform in der Öffentlichkeit unterwegs war, habe ich auch schon von wildfremden Menschen gesagt bekommen: «Cool, dass du den Einsatz machst, danke dafür». Das ist eine schöne Wertschätzung.
Hast du mit Vorurteilen zu kämpfen? Und wenn ja, mit welchen?
Eine Sache, die einem als Frau im Militär immer passiert: Man wird gefragt, warum man das macht. Vielen Männern fehlt das Verständnis, warum man als Frau freiwillig zum Militär geht. Viele sagen einem auch, man ist sicher nur wegen der Männer da, weil man keinen findet. Oder man wird als Mannsweib oder Kampflesbe abgestempelt, das sind so die gängigen Klischees. (lacht)
Wenn man als Frau etwas sehr gut macht, heisst es: «Die hat den Frauenbonus.» Macht man etwas schlecht, heisst es: «Typisch Frau.» Das alles habe ich aber nur am Anfang erlebt, bis ich mir meinen Platz in der Gruppe erkämpft hatte. Hier reichen natürlich nicht 100%, als Frau muss man immer 120% geben. Man ist immer im Fokus, das ist einfach so. Man geht nie vergessen. Das ist ein Vorteil, aber man fällt natürlich auf, wenn man mal zwei Minuten zu spät ist. Der Kamerad, der fünf Minuten später auftaucht, über den redet niemand. Aber wenn du zu spät bist, heisst es: «SIE ist nicht da gewesen».
Wie begegnest du diesen Vorurteilen, diesen Reaktionen?
Es ist wie überall: Wie man in den Wald hineinruft, so kommt es auch zurück. Ich bin immer offen und ehrlich mit meinen Kameraden umgegangen und so bin ich auch wahrgenommen worden. Klar haben sie mich erst abschätzen müssen, wie ich ticke – aber das mussten sie sich untereinander ja auch. Beim Militär trifft der Bergbauer auf den Stadtmenschen aus dem Unterland und plötzlich haben sie ein gemeinsames Ziel und müssen zusammenarbeiten. Das schweisst zusammen und man lernt unglaublich viel, vor allem über sich selbst. Man muss sich als Frau aber auch nicht verleugnen, man darf seine Stärken auch ausspielen – und dahin zu kommen, ist ein Lernprozess.
Welche Vor- oder Nachteile gibt es deiner Meinung nach als Frau in deinem Job?
Ich bin überzeugt, für das Militär ist es ein Gewinn, wenn Frauen dabei sind. Das trifft auf alle Gruppen zu: Man kommt auf andere Lösungsansätze, wenn beide Geschlechter vertreten sind. Anders Denken ist erwünscht, damit man sich weiterentwickelt – und dafür braucht es meiner Meinung nach auch Frauen im Militär.
Gibt es ein Vorurteil bezüglich deines Jobs, mit dem du gerne aufräumen würdest? Was würdest du gerne klarstellen?
Dass Frauen beim Militär eine Sonderbehandlung geniessen, denn dem ist nicht so. Sie tragen genauso viel Gewicht und müssen genau das gleiche leisten wie die Männer. In der Offiziersschule zum Beispiel muss man am Schluss eine Durchhalteübung machen, die geht eine Woche und am Schluss kommt ein 100-Kilometer-Marsch. Und den musste ich als Frau genauso und mit dem gleichen Gepäck absolvieren wie jeder Mann auch.
Was ist das Spannendste an deinem Job?
Man lernt extrem viel: Rücksicht zu nehmen, anders zu denken … Und man lernt, sich selbst zum Wohl des Ganzen auch mal zurückzustellen. Das ist ein grosser Gewinn für einen selbst. Dass ich ausserdem zum Beispiel an der F/A-18 Hornet arbeiten darf, das ist einfach nur cool. Als Zivilperson kommt man da nicht so leicht dazu.
Ausserdem die Möglichkeit, mit Anfang 20 schon einen Zug zu führen und Verantwortung zu übernehmen: Die Chance bekommt man im zivilen Leben in so jungen Jahren eher nicht. Man muss auch nicht perfekt sein, im Gegenteil. Man ist schliesslich zum Lernen da und wird begleitet – und man darf auch Fehler machen. Ganz nach dem Motto KKK: Kommandieren, Kontrollieren, Korrigieren. Dabei lernt man unglaublich viel.
Tja, und dann darf man natürlich schiessen (lacht). Ich bin am Sturmgewehr und an der Pistole ausgebildet und habe auch eine Führungsausbildung absolviert. Wo kann man das sonst machen, ausser vielleicht bei der Polizei?
Was gefällt dir nicht an deinem Job?
Ich wurde manchmal belächelt im Militärdienst, das hätte nicht sein müssen. Oder dass manche Kameraden fast schon zu übervorsichtig waren, wenn eine Frau in der Nähe war. Dadurch ist dann teilweise eine Sonderbehandlung entstanden, obwohl ich das gar nicht wollte.
Was meinst du, warum gibt es so wenige Frauen im Militär?
Verteidigung geht meiner Meinung nach alle etwas an, da sollten sowohl Frauen als auch Männer ihren Beitrag leisten. Aber ich glaube, viele Frauen trauen sich einfach nicht oder sie haben Zweifel, ob sie dem Ganzen gewachsen sind. Oder sie haben keinen familiären oder kollegialen Rückhalt. Und natürlich die fehlende Bekanntheit, Frauen haben das Militär einfach nicht auf dem Radar.
Ich würde es sehr begrüssen, wenn der Informationstag, der für Männer ja verpflichtend ist, für Frauen auch Pflicht wäre. Sie haben auch ein Recht auf Information! Und dann hätten Frauen die Möglichkeit, sich mit dem Thema mal auseinanderzusetzen und zu schauen, ob es allenfalls etwas für sie wäre. Ich jedenfalls hätte mir gewünscht, es hätte damals mehr Informationen gegeben.
Was ist deine treibende Kraft? Worin liegt deine besondere persönliche Stärke?
Durchhaltevermögen, oder besser gesagt: mein Wille (lacht). Ausserdem bin ich recht unkompliziert, das war ich schon vor dem Militär, aber das hat es noch verstärkt.
Würdest du wieder den gleichen Beruf wählen?
Unbedingt, absolut, immer wieder. Das Militär ist einfach meine Leidenschaft.